Science-Fiction im Alltag: FH-Forscher entwickelt Logistik-App für Datenbrillen

Foto: Logcom GmbH

Es klingt wie Zukunftsmusik: ein Logistiksystem, das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per Datenbrille durch das Lager leitet, das die richtige Ware und den richtigen Stellplatz automatisch erkennt, das die Wege optimiert und Fehler reduzieren hilft und das so auf einen Schlag zu einer Zeitersparnis von knapp 20 Prozent führt.

Dieses Szenario ist Realität. Entwickelt wurde „Picavi“, das weltweit ersteDatenbrillensystem fürHochregallager im Echtbetrieb, von der Herzogenrather Firma Logcom GmbH, maßgeblich beteiligt an der strategischenProduktentwicklung ist der FH-Forscher Prof. Dr. Alexander Voß. 

Der Aachener Kosmetikhersteller Dr. Babor GmbH & Co. KG setzt das System nach erfolgreicher Planungs-und Testphase nun dauerhaft für seine Kommissionierungsarbeiten ein. In der 12.000 Quadratmeter großen Hochregallagerhallean der Neuenhofstraße arbeiten Kommissionierer statt mit Handhelds nun mit Datenbrillen. Dortwerden Packmittel und Werbeartikel für die interne Konfektionierung sowie Fertigware für Endkunden vorgehalten. Auf 8760 Palettenplätzen in 32 Regalen sind 6100 Artikel gelagert, die mit vier Staplern sowohl paletten-als auch kartonweise kommissioniert werden. Die komplette Prozessführung läuft nun über das Display der Datenbrille. Dabei wird jeder Schritt per in die Brille eingebautem Scanner bestätigt: So werden Stellplatznummer und Artikel überprüft; Fehler werden ausgeschlossen. Ist der Auftrag abgeschlossen, erscheint der nächste im Display. „Die Akzeptanz des neuen Systems bei den Kollegen ist wegen seiner Einfachheit extrem hoch. Mit der Datenbrille haben sie die Hände während des gesamten Vorgangs frei. Das ist neben der Wegeoptimierung der entscheidende Vorteil“, erläutert Babor-Geschäftsführer Horst Robertz. Schon in der Testphase konnte eine belastbare Zeitersparnis von 18 Prozent erreicht werden. Die ersten Wochen des Echtbetriebs deuten auf noch bessere Quoten hin. „Um eine marktreife Pick-by-Vision-Lösung zu erreichen, war einiges an Forschungs-und Entwicklungsarbeit nötig“, legt Logcom-Geschäftsführer Dirk Franke dar, „Prototypen gibt es viele, die Herausforderung liegt darin, ein stabiles und zuverlässiges Gesamtsystem zu realisieren, das für den Produktivbetrieb rund um die Uhr geeignet ist.

Prof. Dr. Alexander Voß erläutert: „Wir haben unter anderemeine spezielle Android-App für die Brille implementiert, die mit wenig Aufwand verschiedene Prozessabläufe abbilden kann, ohne immer komplett neu programmiert zu werden. Gleichzeitig betten wirdie Datenbrillen in eine modulare Systemarchitektur ein, um rechenintensive Prozessschritte wie etwa eine Optimierung oder die Anbindung an Fremdsysteme serverseitig und nicht auf den Datenbrillen durchzuführen. So nutzen wir das Beste aus beiden Welten.“ Auf der Basis dieser Kerntechnologien sei auch der Einsatz in anderen Logistikbereichen oder generell in produzierenden Unternehmen denkbar –das Stichwort „Industrie 4.0“ ist derzeit in aller Munde.

Für Prof. Voß ist wichtig, dass die Entwicklungsarbeit in diesem Projekt eng mit seiner Tätigkeit in der Lehre verknüpft ist. „In meinen Vorlesungenlegeichgroßen Wert auf Anwendungsorientierung“, betont er, „die Studierenden können hier an einem Praxisbeispiel sehen, worauf es bei der Produktentwicklung ankommt und welche Herausforderungen es gibt“. Viele der hier verwendeten Technologien könnten Studierende in seinen Vorlesungen zu Android-Entwicklung, C# oder Datenbanken lernen. Der duale Studiengang Scientific Programmingdes Fachbereichs Medizintechnik und Technomathematikbiete gerade wegen der Kombination mit der Ausbildung zum Mathematisch-Technischen Softwareentwickler (MATSE) am IT-Center der RWTH Aachen sowie am Forschungszentrum Jülich die ideale Basis für den Einstieg in den Beruf. Das hat auch FH-Student Philipp Pickartz erfahren: Er fängt nach seinem Abschluss jetzt bei der Firma Logcom als Softwareentwickler an. 

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